In einer 2018 veröffentlichten Studie haben israelische Forscher menschliche Mikrobiome nach einer Antibiotika-Behandlung untersucht und herausgefunden, dass Probiotika die Regeneration verschlechtern.
Als ich davon zum ersten Mal in einem Interview von Chris MacAskill mit dem Standford-Forscher Dr. Sean Spencer gehört habe, ist mir ein wenig die Kinnlade runtergefallen. Denn solche Präparate werden einem gerne empfohlen, nachdem man Antibiotika genommen hat. Und erst mal macht es ja intuitiv auch Sinn: Antibiotika zerstört viele Bakterien im Darm und als kleine Starthilfe nimmt man Bakterien in Pillen, die dann den Darm wieder besiedeln sollen. Als Regeneration also.
Doch im Experiment zeigt sich, das Gegenteil ist der Fall – Probiotika verzögern sogar eine schnelle Regeneration im Vergleich zu anderen Methoden und sind sogar schlechter als gar nichts zu tun. Selbst nach 180 Tagen ist das Biom nicht wieder auf dem alten Niveau.
Warum können Probiotika schädlich sein?
Zunächst einmal muss man wissen, dass probiotische Präparate vor allem Lacto- und Bifido-Bakterien enthalten, da diese die Magensäure überleben und es auch schaffen im Darm anzukommen. Nun ist es aber so, dass gerade diese Bakterienstämme nur 0,1% unseres Darmbioms ausmachen. Sie sind also eine absolute Minderheit.
Dr. Sean Spencer vergleicht unsers gesundes Darmbiom mit einem ausgebuchten Hotel. Kein weiterer Gast hat Platz. Nach dem Einsatz von Antibiotika ist es als würden alle Gäste au einmal auschecken. Es gibt also genügend Platz für die Lacto- und Bifido-Bakterien und die beziehen dann den Darm und verhindern damit, dass die eigentlichen Gäste wieder einziehen können.
Wann ist ein Darmmikrobiom gesund?
Die Forschung zum Darmbiom ist immer noch am Anfang und es ist wenig bekannt über die Milliarden von Bakterien die unseren Darm besiedeln. Eine Aussage zu treffen, was ein gesundes Darmbiom ist und wie es im System mit Darm und Hirn funktioniert, ist schwierig. Man behilft sich damit, dass das Biom möglichst vielfältig sein soll. Denn in Menschen mit gesundem Darm ist das der Fall.

Diese Vielfalt ist verringert, wenn sich übermäßig viele Lacto- und Bifido-Bakterien einnisten. Und so zeigt auch das Schaubild, dass nach 30 Tagen die Intervention mit Probiotika am schlechtesten abschneidet.
FMT: Behandlung mit eigenem Stuhl
Die braune Kurve ist übrigens sehr interessant. Ein alternativer Ansatz, der untersucht wurde, ist die sogenannte autologe fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT). Sie zeigt die Entwicklung der Bakterienspezies nach einer Behandlung mit eigenem Stuhl, der vor die Antiobiotika-Einnahme gesammelt wurde. Bereits fünf Tage nach einer solchen Eigenstuhl-Behandlung ist die Speziesanzahl wieder auf altem Niveau.
FMT scheint eine Methode zu sein, die für die Zukunft sehr vielversprechend ist. Ich werde die Augen offen halten.
Würdet ihr euren Stuhl einfrieren für schlechte Zeiten?
Meine Schlüsse und Empfehlungen zu Probiotika
Die besprochene Studie zeigt, dass probiotische Präparate, vorallem solche mit typischen Lacto- und Bifidobakterien, nach einer Antibiotika-Behandlung die natürliche Regeneration des Darmmikrobioms nicht fördern – im Gegenteil: sie kann dadurch sogar verzögert werden. Eine Behandlung mit zuvor eingefrorenem Eigenstuhl schnitt im Vergleich deutlich besser ab, und selbst der Verzicht auf Intervention war wirksamer als die Einnahme der untersuchten Probiotika.
Dabei sollte man beachten: Es gibt viele unterschiedliche probiotische Produkte mit teils sehr verschiedenen Bakterienstämmen. Die meisten frei verkäuflichen Präparate enthalten jedoch Lacto- und Bifidobakterien – also genau jene Stämme, die in der Studie kritisch bewertet wurden.
Für bestimmte Indikationen wie Antibiotika-assoziierte Diarrhö existieren probiotische Therapien mit klarer Evidenz und medizinischer Zulassung. In solchen Fällen kann ihr Einsatz sinnvoll sein – außerhalb davon ist die Studienlage oft schwach oder widersprüchlich.
Für mich persönlich bedeutet das: Ich werde nach einer Antibiotikabehandlung keine probiotischen Nahrungsergänzungsmittel mehr einnehmen – zumindest nicht ohne klare medizinische Notwendigkeit. Stattdessen vertraue ich auf die Fähigkeit meines Körpers zur Regeneration – unterstützt durch eine ausgewogene, ballaststoffreiche Ernährung, die das Wachstum eines vielfältigen Darmbioms fördert.
Weitere Empfehlungen
Für alle, die ihre Darmflora mit fermentierten Leckerbissen unterstützen wollen, empfehle ich immer Kimchi selbst zu machen. Das ist nicht schwer. Kimchi-Rezept als Video.
Für wirklich alle ist das Interview mit Dr. Sean Spencer wirklich sehenswert und trotz der Länge kurzweilig und spannend.